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Jazz, Fotos und Dialekt

Wandelkonzert im Pulverturm mit Fotoausstellung und Texten im Bodensee-Dialekt

(go) Was macht ein Fotograf auf der eigenen Foto-Ausstellung? Dumme Frage. Er fotografiert natürlich: das Publikum; den Dialekt-Autor, der liest; die Jazzband, die spielt; die kleinen Mädchen, die mal kichernd mal ernst zu den Jazzstücken wild-ungelenke Tänze erfinden.

Doch zunächst zu den Fotos: Joachim Kathariner hat zum diesjährigen Wandelkonzert des "Gassenfeger e.V." im Vaihinger Pulverturm zum Umfeld passende Fotos zusammengestellt: "Stein" ist das Thema, "Fenster und Türen", "Schönheit des Verfalls", "Blick auf das Detail"- das alles passt in den Pulverturm mit seinen bröckelnden Mauern, seinen Fensterlöchern, seinen malerischen Details: Da schillern nasse Felsen, von Algen überwucherter Müll und Szenen nach einem Fabrikbrand erzeugen farbintensive Bildeindrücke, die nachfragen lassen: Werden die Fotos noch nachbearbeitet? "Meine Fotos sind nach dem Betätigen des Auslösers fertig. Ich würde sie niemals am Computer nachbearbeiten oder anders nachträglich einfärben." Kathariner rückt oft übersehene Details ins Zentrum seiner Bilder: Ein Stapel Bleistiftspitzer wird zur Skulptur, ein Becher mit Stiften zum Blumenstrauß, ein Dach auf dem Kopf stehend zum abstrakten Bild. Der Mannheimer Fotografie-Professor "Robert Häusser hat das einmal so formuliert: ‚Das Unsichtbare sichtbar machen', das ist auch mein Ziel.", erklärt Kathariner.

Kern der Wandelkonzerte im Pulverturm sind die Dialektlesungen. Diesmal ist es ein Autor aus Sternenbronn bei Esslingen, der aber see-alemannische Texte vorträgt, denn Klaus-Dieter Reichert stammt aus Radolfzell am Bodensee und ist seinem Dialekt treu geblieben. "Ich lebe gerne im Schwäbischen. Die Schwaben haben nichts gegen Badener ... zumindest nichts was hilft.", witzelt er gleich zu Anfang. Und so wie dieser Gag, so funktionieren auch viele seiner Gedichte: Ernste, gar philosophische, Themen, werden ausgebreitet und am Ende steht die überraschende Pointe.

Seine Themen sind die, die sich in den letzen 200 Jahren Dialektliteratur herausgebildet haben: Jahreskreis und Tradition, wie Weihnachten und Fasnet schon seit Hebel, Innensicht und Gesellschaftskritik mit dem Dialektboom in der Folge der 60er-Jahre. Und dennoch verbindet er diese beiden ganz verschiedenen Stränge der Dialektliteratur: Die Gesellschaftskritik ist bei ihm nie ohne den augenzwinkernden Humor der frühen Dialektdichter, bei seiner Darstellung der Tradition - wenn zum Beispiel an Fasnacht die maskierte Ehefrau den eigenen Ehemann zum Seitensprung verführt - fehlt nie das Bewusstsein, dass hier Unwiederbringliches aufgehoben ist. Zudem belegt Klaus-Dieter Reichert, dass der Dialekt zu mehr taugt, als zum literarischen Kabarett-Stammtischgeschimpfe oder zum Fasnachts-Spottvers - sein Herbstgedicht schlägt Töne an, die sich sonst eher bei Rilke finden.

Das Kabarett allerdings kam nicht zu kurz: Gleich sechs Sprecherrollen übernahm der Autor erfolgreich bei der Darstellung eines Familienausflugs mit Hindernissen. "Wie im richtigen Leben!", kommentierte eine Zuhörerin.

Umrahmt wurden die Lesungen vom "Silent Jazz Trio" mit Jazz-Standards aus den Jahren 1920 bis 1960. Die Sehnsucht nach einem besseren Leben und die Klage über das nicht immer freundliche Hier?und?Heute bestimmten die Lieder und fanden ihr Echo auch in den Texten von Klaus-Dieter Reichert. Peter Ascher entlockte der Gitarre und vor allem dem Banjo immer wieder Soli, die spontanen Publikumsapplaus provozierten. Manfred Schütt sang gefühlvoll, augenzwinkernd-charmant, manchmal mit etwas Louis Armstrong in der Kehle und bewies bei seinen Klarinettensoli musikalische und darstellerische Höchstform. Was wäre ein Jazztrio ohne seinen ‚Bass Man'? An Tuba und Kontrabass überzeugte der Vaihinger Markus Widmann, der als Vorsitzender der "Gassenfeger" auch moderierend durch den Abend führte. (Oliver Gassner)

***

Bildtexte:

Reichert:

Immer voll in Aktion war Klaus Dieter Reichert bei seiner Lesung: Dialoge und Szenen, bei denen er verschiedene Rollen annahm kamen beim Publikum besonders gut an. So der Familienausflug mit drohendem Unwetter oder die Verabschiedung des langgedienten kleinen Büroangestellten.

Silent Jazz:

Ungewohnte Akustik und beengte Verhältnisse im Pulverturm störten die drei vom "Silent Jazz Trio" keineswegs. Sie sind schon seit Jahren fester Bestandteil der Wandelkonzerte im Pulverturm. In der Besetzung (von links) Markus Widmann (Tuba, Kontrabass) , Peter Ascher (Gitarre, Banjo), Manfred Schütt (Gesang, Klarinette, Saxofon, Flöte) und boten sie einen ‚Gang' durch 40 Jahre swingenden Jazz. Das Publikum wippte und summte mit.

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