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Auf den Spuren des Teufels wandelt Christian Schneider, Doktorand am Germanistischen Seminar in Heidelberg und Referent über "Teufel und Teufelsbünder" beim sonntäglichen Jour fixe im Knittlinger Faust-Archiv.
Wie ist es, fragt er, zu erklären, dass der Teufelsglaube und sogar "Sichtungen" des Teufels im Mittelalter gang und gäbe waren? Und warum scheitert die Theologie bei dem Versuch, die Macht des Teufels wegzuargumentieren vor dem standhaften Volksglauben? Die Lebensbedingungen im Mittelalter waren hart: Kargste Verhältnisse, ständige Lebensgefahr durch Verhungern, Krankheit, Gewalt. Da nimmt es nicht wundern, dass die "schwarz-weiße" Weltsicht verbreitet war: Hier ist der Teufel, dort steht ihm, in gleicher Macht, Gott gegenüber, der, weil ich ohnmächtig bin, meine einzige Rettung vor dem Verderben ist. Den Teufel als "gefallenen Engel" Gott unterzuordnen, das versuchten im späteren Mittelalter die Scholastiker, aber zwischen gelehrter Theologie und dem, was das Volk glaubte, klaffte Jahrhunderte lang ein Abgrund. Gleichzeitig herrschte ein Denken nicht in Begriffen sondern in magisch-mythischen Bildern vor: Man war geneigt eine Wahrnehmung eher auf Übernatürliches zurückzuführen als auf eine Kette von natürlichen Ursachen und deren Wirkungen.
Als Experte für "ältere deutsche Literatur" untersuchte Christian Schneider vor allem Texte aus dem Zeitraum von 500 bis 1500 und versucht zu ergründen, was Teufelsfiguren und Teufelsbünder, also verführte Menschen, in diesen Texten bedeuten. Anfällig für den Teufel sind zunächst nur Menschen, die charakterliche Fehler aufweisen, meist ist es die Gier nach Besitz und Macht, die Beseitigung des im Mittelalter alltäglichen Mangels, die sie erstreben. Der luxussüchtige Bischof, der habgierige Arme, der verschwenderische Adlige vor dem Bankrott: Sie alle werden als anfällig für den bösen Versucher beschrieben und gleichzeitig üben die Teufelserzählungen so Kritik an deren moralischen Verfehlungen. Eine weiter Gruppe von Erzählungen dient vor allem der Beschreibung der Macht von Maria als Fürsprecherin: Wer Gott entsagt, an Maria aber festhält, der kann gerettet werden.
Gegen Ende des Mittelalters rückt eine neue Gruppe als Verdächtige nach: Die Wissenschaftler und Gelehrten. Wer sich wie Papst Silvester II. mit Astronomie, Musiktheorie oder Mathematik beschäftigt und das aus arabischen Schriften lernt, der läuft Gefahr, verleumdet zu werden: 80 Jahre nach dem Tod des Papstes taucht ein Bericht auf, wie dieser vor versammeltem Klerus seinen Teufelsbund beichtet und befiehlt, man möge alle seine Körperteile, die gesündigt hätten, verstümmeln: Arme, Beine, Augen, Ohren, Nase und Zunge.
Und warum wird die Wissenschaft Ziel dieser Verleumdungen? Sie ist es, die das alte magisch-mythische Weltbild von Schwarz und Weiß gefährdet: Sie entzaubert eine Welt, in der man sich durch Beten oder Satansopfer absichern konnte. So wird der Wissenschaftler als Teufelsbünder aus den Erzählungen des späten Mittelalters das Vorbild für den Typus, den wir in Faust vor uns haben: Den Gelehrten, der mit den alten Methoden der Welterkenntnis nicht mehr weiter kommt und der sich auf der Suche nach neuen Erkenntniswegen schuldig macht.
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