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Was fällt Ihnen zur Steinzeit ein? Primitive Höhlenmenschen? Ungeziefer, Kälte, Hunger und Krankheiten? Finden Sie das langweilig? Ja? So geht es auch Marco im Theaterstück "Marco und ´Nzu - Begegnung mit der Jungsteinzeit" der Klasse 8b der Ottmar-Mergenthaler-Realschule.
"Ich bin der coole Marco", rappt er. "Und find mich gut, mit eurer alten Steinzeit, da hab ich nix am Hut." Und weil ihn der Schulausflug zur Grabungsstätte langweilt, setzt er sich von der Gruppe ab, kaut ein paar 7500 Jahre alte verbrannte Getreidekörner und ... findet sich plötzlich im Ensingen der Jungsteinzeit bei den Bandkeramikern wieder.
Die Ensinger Grabung nach einer Siedlung der jungsteinzeitlichen Bandkeramiker und eine Jungsteinzeit-Ausstellung in Bietigheim hatten die Schüler der damaligen Klasse 7 so fasziniert, dass sie zusammen mit ihrer Lehrerin Uschi Weber beschlossen, diese Epoche als Thema eines Projektes zu wählen. Denn für Realschüler ist ein "Wirtschaft/Verwaltung/Recht-Projekt" im Lehrplan vorgeschrieben: Die jungen Menschen sollen ihr Umfeld unter diesen Aspekten kennen lernen. Und das taten sie dann auch ausführlich. Weil die Grabungen vom Land nicht mehr finanziert werden sollten, stellten sie eine Unterschriftensammlung auf die Beine und ergatterten über 1000 Unterschriften: Die Grabungen gehen weiter. Bei ansässigen Firmen sammelten sie Geld- und Sachspenden um die weiteren Projekte realisieren zu können; Postkarten mit Fotos der Grabungsstätten und Bilderspenden von ansässigen Malerinnen und Malern werden verkauft. Aufgebaut wurde mit dem Geld ein "lebendiges Museum", bei dem sich zwei Tage lang das Souterrain der Stadtbücherei in ein lebendiges Steinzeitdorf verwandelte und die Besucher mit den Steinzeitmenschen zusammen unter Anderem Töpfern üben, Steine bohren und Lieder singen konnten. Zwei weitere Gruppen arbeiteten mit regionalen Künstlern daran, dass nach Beendigung der Grabungen, wenn auf dem Areal südlichen von Ensingen das Gewerbegebiet "Perfekter Standort" entsteht, noch etwas an die Bandkeramiker erinnert: Zwei Skulpturen sollen dann dort stehen, eine Metallskulptur, die mit dem Illinger Recycling-Künstler Eugen Schütz entstanden ist und eine Steinkreis-Installation bei dem das Steinmetz- und Steinbildhauer-Paar Claudia und Sebastian Dietz aus Eberdingen die Schüler unterstützt hat.
Doch ein Kernstück des Projekts ist die Theateraufführung der Zeitreise des "coolen Marco" (Andreas Gräter) in die Jungsteinzeit. Dessen Verachtung für primitive Musik, ungenießbares Essen und grobe Kleidung weicht langsam einer Faszination, die natürlich mit einer Liebesgeschichte beginnt: Denn viel lieber als sich von ´Nzu (Nugret Sönmez), dem Sohn des Häuptlings, in die neue Kultur einführen zu lassen, hat es Marco, wenn sich dessen reizende Tochter Releschan (Stefanie Hoffmann) um ihn kümmert.
Die Sitten im Steinzeit-Clan sind streng: Wer kein nützliches Mitglied der Gemeinschaft ist und zudem noch dauernd nörgelt oder gar alle beleidigt, hat es als Fremder schwer und muss erst eine Prüfung bestehen. Einen Stier kann Marco nicht schlachten und schon droht die grausame aber gerechte Schamanin (Sarah Ortenreiter) ihn als nutzlosen Esser töten zu lassen. Da hilft Marco Releschan entlaufene Schafe einzufangen und rettet ´Nzus Leben, indem er angreifende Feinde mit dem Blitzlicht seines Fotoapparates verscheucht. Marco lernt die Findigkeit und die Errungenschaften der Steinzeitler nach und nach schätzen und beinahe wäre die letzte Szene des Stücks eine Hochzeit - wenn er nicht doch noch einen Weg nach Hause finden würde.
Unterhaltsam kombiniert das Stück der Achtklässler Einblicke in die Kultur der Bandkeramiker mit den entsprechenden Gegenstücken aus der Gegenwart. Da stehen dadaistischer Steinzeitkanon und Rap einander gegenüber, als Parallele zu einem Liebeslied des Keramiker-Chors tritt die Barbershop-Gruppe des Männergesangsvereins Horrheim mit amerikanischen Liebesschnulzen auf. Dem Kriegstanz der Vorfahren stellt die Inszenierung eine fetzige Tanzeinlage der Balettschule Nagy und ein jugendliches Rock 'n' Roll-Tanzpaar mit ihren "Tänzen zu Liebe, Frieden und Versöhnung" an die Seite. Nicht nur in die Finanzierung, auch in die Gestaltung des Abends also sind Vereine und Firmen eingebunden und die drahtlose Mikrofonanlage und die Beleuchtung - gestellt von der Vaihinger Soundlight Company ? quittiert Kulturamtsleiterin Wiebke Richert mit der Bemerkung: "Für städtische Veranstaltungen hatten wir noch nie eine solch tolle Anlage hier im Raum."
"Was uns wichtig war, ist die Nachhaltigkeit.", erklärt die Lehrerin Uschi Weber, "In dem Industriegebiet sollen Denkmäler stehen, die an die Bandkeramiker und damit an die Wirtschaftsgeschichte dieses Landes erinnern." Dass das auch umgesetzt wird, dafür soll der Schirmherr Oberbürgermeister Heinz Kälberer sorgen, der neben Vertretern von Parteien, Oberschulamt und Sponsoren zu den Ehrengästen gehörte. So war am Freitag der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Dieter Kleinmann anwesend, für Samstag hatte sich Günther Oettinger, der Fraktionsvorsitzende der Landtags-CDU angesagt. Neben der Allianz Kulturstiftung Stuttgart, gehörten die Dr. Karl Bausch GmbH in Kleinglattbach und die Stiftung der Landesbank Baden-Württemberg zu den über 50 Sponsoren des Projekts.
Großes Lob hat das Projektbündel bereits vor seinem Höhepunkt erhalten: Bei einem Wettbewerb für "handlungsorientieren Unterricht" ("Der goldene Floh") erhielt es eine Anerkennung, beim Wettbewerb der Bahn "Schule mobil" erntete es eine 8. Platzierung unter über 100 Projekten und das "Forum Region Stuttgart" zeichnete es gar mit dem einzigen Preis für ein Denkmalschutzprojekt aus, der in diesem Jahr vergeben wird: 3500 Euro erhält die Gruppe bei der Verleihung am 12. November in Stuttgart dafür.
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