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Dr. Jekyll und Mr. Hyde kennt ja fast jede/r. Dr. Kinder und Herrn Kinder auch viele. Diese Doppelkreaturen aus Autoren und Universitätsdozenten im Fache Literaturwissenschaft sind in Deutschland gezählt. Gezählter als z.B. in den USA, wo der Uni-Job sozusagen die Rolle der Literaturförderung übernimmt und viele Schriftsteller finanziert. Hermann Kinder nun hat neben seinen fiktionalen und rein wissenschaftlichen Publikationen auch eine Sammlung aller Essays seiner beiden Alter-Egos vorgelegt. Im lobenswerten Isele-Verlag erschien „Von gleicher Hand" mit Aufsätzen über Literaturkritik, Literaturgeschichte nach 45, Literaturbetrieb, Poetik und mehr. Für Hermann-Kinder-Fans ein Muß (auch wenn sie einige der Essays schon in vergriffenen Bänden haben, aber eben nicht alles), für Literaturwissenschaftler/innen mit Hang zur Literaturkritik und zum Selberschreiben auch nicht gerade überflüssig. Über 300 Seiten hat der Band - und das wirft das eine oder andere Problem auf. Das erste ist: Wo anfangen? Die einfache Antwort: Vorne. Ich habe es versucht und kann es nicht empfehlen, denn germanistische Aufsätze sind selbst nicht für jeden Germanisten ein Lesespaß. Kostprobe gefällig? „Denn die dem psychosomatischen Erzählen zugrundeliegende Opposition von Subjekt und Gesellschaft sei eine konventionelle Illusion, da weder der Begriff des Subjekts und einer tendenziell authentischen Erfahrungsthematisierung haltbar sei noch der einer einheitlich zu definierenden Gesellschaft." Ist ja nicht falsch, aber ...wenig verdaulich. Empfohlen sei der Einstieg über die Hintertreppe: zum Beispiel über die - weil sie Vortragstexte sind sehr angenehm zu lesenden - Wiener Vorlesungen zur Literatur, die nicht wenig von dem sehr gut zusammenfassen, was über den ganzen Band verstreut ist. Oder über den zweiten Teil des Bandes, über die mehr journalistisch als wissenschaftlich gefärbten Essays. Das zweite Problem klang gerade schon an: Wer alles sammelt, was einer in Jahrzehnten schreibt, der zwingt zur Wiederholung. Und was sich wiederholt ist nicht immer zum Vorteil des Bandes. Kinders verständlicher Unmut über mafiose Komplotte der Literaturkritik sind berechtigt, wirken aber in der dritten Iteration eher dickköpfig und tun dem Argument nichts mehr gutes. Hier hätte man den einen oder anderen Artikel ruhig vor der Tür lassen können; der Effekt wäre allemal ein Lesender gewesen, der weniger Probleme hat, den ganzen Band durchzuarbeiten. Doch zum Schluß das überwiegende Positive: Aus dem Band nimmt man allerlei mit; allerlei Kritisches zum „einfach so Dahrererzählen", einiges erhellende Aktualität der experimentellen Avantgarde, allerlei Einsicht in die Probleme der an der Universität lehrenden Autoren, die eine oder andere neue Sicht der Dinge, die sich eröffnet, wenn man auch die Literaturkritik mit den Augen der Literaturwissenschaft behandlet und nicht zuletzt einige wertvolle Hinweise, die einem bisher wenig verständliche Passagen und irritierende Konstruktionen aus den Texten von Hermann Kinder etwas durchsichtiger machen.
(Oliver Gassner)
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