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Der Gaststättenverband kündigt an, dass bald jede dritte Restauration in Deutschland schließen muss: Pleite. Bei den Kammern gehen täglich Anfragen ein, wie man denn eine Zahlungsunfähigkeit korrekt abwickelt: Das Geld geht aus. Umsatzeinbußen, Entlassungen und Schließungen scheinen das Bild des Mittelstandes aktuell zu prägen. Grund genug einmal einen Blick vor die Haustür zu tun, um zu sehen, wie es hier vor Ort steht. Was tun die Interessenverbände? Was plant die Stadt? Jammern die Geschäftsleute nur oder wird auch angepackt?
"So war es noch nie: Es geht allen Branchen in ganz Deutschland schlecht und die Prognosen sind entsprechend.", erklärt Lars Keller, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Vaihingen (WGV). In der Region herrscht zusätzlich Unsicherheit: Alcatel und Leitz entlassen viele Mitarbeiter. Das schürt Ängste und die Leute halten sich mehr am Geld fest. "Solche Nachrichten haben auch einen unmittelbaren Einfluss auf Vaihingen.", weiß Keller. Was man nicht unmittelbar braucht, wird nicht gekauft. Insolvenzen in Vaihingen hat es aber seines Wissens noch nicht gegeben. Entlassungen und Kürzungen der Arbeitszeit kämen allerdings vor. Bei fehlenden Einnahmen muss man die Kosten senken.
"Das geplante Gewerbegebiet im Flosch macht uns große Sorgen. In Vaihingen gibt es momentan etwa 5500 Quadratmeter Handelsfläche, und im Flosch sollen noch mal 5000 Quadratmeter zusätzlich entstehen. Das hat keine positive Wirkung auf die Innenstadt und ist für den Handel nicht motivierend." Als weiteres Problem sieht Lars Keller eine Schieflage in der Stadt: Die Stuttgarter Straße bräuchte auf der anderen Seite des Marktplatzes ein Gegengewicht: Durch attraktiven Handel in der Mühlstraße. Aber der Platz wirke als Barriere, weil er nicht attraktiv genug sei. "Da wo das Bürgerbüro ist, da hätte ein Ratscafé hingehört.", schlägt Keller vor.
Positive Auswirkungen habe hingegen der Enztal-Radweg. Attraktiv sei auch das Schloss, aber leider nicht nutzbar: "Bei uns im Laden wird immer wieder gefragt, wie man da hoch komme und ob man da einen Kaffee trinken könne." Fehlen Parkplätze? "Der scheinbare Parkplatzmangel in Vaihingen ist ein psychologisches Problem: Parkhäuser werden ungern angenommen." Sein Vorschlag: Gratisparken in der Innenstadt, drei Stunden mit Parkscheibe. "Das würde eine Waffengleichheit mit der ‚grünen Wiese' herstellen.", wünscht sich Keller. Kostenlose Parkplätze kämen nicht nur dem Einzelhandel und der Gastronomie sondern auch der Verwaltung und den Dienstleistern zu gute, das sei keine einseitige Förderung.
Um die Krise abzuwenden, müssten nach Lars Kellers Vorstellung alle aktiv werden: Hausbesitzer müssten für attraktive Gebäude sorgen, der Tourismus müsste mehr gefördert werden, die Verwaltung sollte mit Gastronomie und Handel gemeinsam an einem Strang ziehen. Wie beim Herbstmarkt. "Der bringt Leute in die Stadt, aber Kunden in den Laden ziehen muss dann jeder selbst." Keller sieht hier noch Bedarf an mehr Phantasie bei seinen Kolleginnen und Kollegen.
"Die Vaihinger Gastronomie ist gesund.", freut sich Thorsten Leupold, der Wirtschaftsförderer der Stadt. Auch er sieht hier die positiven Auswirkungen des Enztal-Radwegs. Aber die gesamtdeutsche Konsumzurückhaltung mache auch vor Vaihingen nicht halt: "Das, was man wirklich braucht, hat man. Und beim anderen halten sich momentan die meisten zurück."
Ein Schwerpunkt von Leupolds Aktivität seit seinem Amtsantritt im Juni 2002, war die Vermittlung von leerstehenden Gewerbeflächen: "Wer uns Leerstände meldet, den tragen wir in eine Leerstands-Börse im Internet ein. Die ist über unsere Homepage und die der Region Stuttgart zugänglich." Inzwischen sucht das Amt auch aktiv nach Leerständen und bietet den Eigentümern Unterstützung an.
Wichtig, so meint auch Leupold, sei ein gemeinsames Vorgehen von Stadt und Handel. Im "Trägerkreis Stadtmarketing" sitzen Vaihinger Kreiszeitung, der Bund der Selbständigen, die Werbegemeinschaft und er zusammen. Dabei entstehen Aktionen wie der Herbstmarkt an diesem Wochenende. "Das zieht Leute in die Stadt, die später wiederkommen."
Arbeitsplätze soll das "Interkommunale Gewerbegebiet Perfekter Standort" südlich von Ensingen bringen, um dessen Vermarktung sich Thorsten Leupold kümmert. Auf die Gestaltungsideen von Lars Keller reagiert er zögerlich: Man erwarte, dass Vorschläge zu Parkplätzen und Marktplatz im Gutachten angesprochen seien, das die Stadt in Auftrag gegeben habe, und das bald vorliegen soll. "Was ich mir persönlich wünsche? Ein Kino in Vaihingen.", da ist Thorsten Leupold nicht allein.
Michael Weber , Vorsitzender der "Vaihinger Aktion Innenstadt e.V." (VAI), sieht seine Stadt im Strukturwandel begriffen: "In der Innenstadt wird es vor allem Wohnungen geben, Fachhandel und Dienstleistung. Der Handel mit Konsumgütern wandert auf die grüne Wiese ab." Die Konsequenz wäre seiner Ansicht nach eine Förderung der Erlebnisgastronomie - zum Beispiel ein ansprechendes Marktplatzcafe. Wie findet er Lars Kellers Vorschlag eines Rathauscafés? "Gute Idee."
Ein Problem in Vaihingen sei, dass es kein Interessen und Ressort übergreifendes Gestalten der Stadt gebe. Verwaltung, Interessenverbände und besonders auch die Bürger, müssten sich gemeinsam an einen "Runden Tisch" setzen und Lösungen für die anstehenden Probleme entwickeln. Es gehe nicht an, dass Einzelhändler vor ihrer Tür Werbeaktionen machen wollten, und die Stadt hindere sie daran. "Mehr gestalten als verwalten.", ruft der VAI-Vorsitzende die Stadt zur Flexibilität auf.
Und die Geschäftsleute? Die packen an, anstatt zu jammern. Zum Beispiel Klaus Mesinger: Von seinem versteckten kleinen Optik-Laden hinter dem Rathaus zieht er in die Heilbronner Straße in eines der ehemaligen Bankgebäude um: "Der Umsatz blieb in letzter Zeit gleich, sicher auch wegen meiner ungünstigen Lage." Vom besseren Standort mit Parkplätzen direkt vor der Haustür und der größeren Angebotsfläche erhofft sich der Unternehmer auch eine Umsatzverbesserung. Und wie geht es seiner Branche? "Die Leute lassen sich lieber neue Gläser ins alte Gestell machen.", erklärt er. Den Lieferanten der Brillenrahmen gehe es demnach deutlich schlechter als den Glasherstellern, die nur leichte Rückgänge zu verzeichnen hätten.
Und welche anderen Ratschläge gibt es? "Wenn jeder auf seinem Geld sitzt, wird für alle die Situation schlechter. Das ist ein Teufelskreis.", warnt Mesinger. Und seine Kollegen fordert er auf: "Macht es wie ich: Vergrößert das Angebot." Was kann die Stadt seiner Ansicht nach für den Erfolg des Handels tun? Ein besseres Parkleitsystem sei wünschenswert, denn Parkplätze gebe es genug. "Jeder Zweite sagt mir, er finde keinen Parkplatz und hier in der Tiefgarage ist immer was frei.", klagt Mesinger. Seine Lösung: Lichtschranken an die beiden Parkhäuser, Anzeigetafeln an belebte Kreuzungen, fertig.
Leonardo Dragonetti vom Restaurant "Buongustaio" in der Stuttgarter Straße zuckt die Schultern und lacht: "Dieses Jahr war mein Umsatz in jedem Monat höher als im letzen Jahr." Von einer Krise im Gaststättengewerbe merkt er nichts. "Ich komme auch nicht viel raus. Ich habe sieben Tage die Woche auf und wohne hier oben im Haus." Ist es nur die Rundumschicht, die den Erfolg bringt? "Qualität und Freundlichkeit", das ist das Rezept von Dragonetti in seinem Familienbetrieb. Dosenpilze und Edamer, das sollen andere auf Pizzas verarbeiten, er nehme lieber frische Pilze und echte Mozarella. Das hat auch seinen Preis, aber den bezahlen die Gäste offenbar gerne. "Ich habe mir sagen lassen, dass Gäste, die mal bei anderen essen, von manchen Wirten hier in Vaihingen schief angeguckt werden. Das kann man doch nicht machen. Jeder Gast isst mal bei jedem." Wenn Leonardo Dragonetti mit seinen Gästen spricht, hat man eher den Eindruck, es handle sich um ein Gespräch mit Freunden der Familie. Er biete seinen Kunden vor allem auch Abwechslung: In den eineinhalb Jahren, die er die ehemalige "Willhelmshöhe " jetzt führe, habe er bereits die dritte neue Speisekarte. "Meine Stammgäste fragen mich: Was hast du Neues, was kannst du mir anbieten."
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