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Dieter Forte

Das Muster

Dieter Forte ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt im deutschen Literaturbetrieb: Bereits mit seinem ersten Stück ,,Martin Luther & Thomas Münzer oder die Einführung der Buchhaltung" (1970) wurde er als ,,der" neue deutschsprachige Dramatiker gefeiert, ein Lob das nicht alle seine späteren Werke ernteten.

Neben Dramen, Fernseh- und Hörspielen liegt nun mit ,,Das Muster" Dieter Fortes erster Roman vor. Der Text versucht nichts weniger, als die Geschichte zweier Familien, einer sizilianischen und einer polnischen, vom Jahre 1133 bis zum Jahre 1933 zu verfolgen. Die Fontanas, Seidenweber und Erfinder, Unternehmer und Privatgelehrte, Philosophen und Müßiggänger machen ihren Weg von Palermo über Lucca, Florenz, das hugenottische Lyon und Iserlohn nach Düsseldorf. Der Lukacz-Familie, kleine Bauern im Oderbruch, genügt als Zwischenstation Gelsenkirchen. Mystisch und sybillinisch veranlagt, mit je einem katholischen Pfarrer in der Generation und der schwarzen Madonna von Tschenstochau im Herrgottswinkel repräsentieren sie den ,,östlichen" Aspekt der deutschen Seele. So wie die Fontanas, immer auf der Flucht vor der religiösen oder politischen Unterdrückung in die Freiheit, die Genialität und den Forscherdrang, die südliche Leichtigkeit und den Überlebenswillen, kurz das "Faustische", verkörpern. Bei der Spannweite von 800 Jahren auf nur knapp über 300 Seiten leistet Forte Unglaubliches. Im Zeitraffer zuerst, Flucht bei den einen, originelle Todesfälle bei den anderen in den Blick nehmend, dann in knappen Einzelportraits der Bürger Fontana und der Arbeiter Lukacs, schließlich kontinuierlich erzählend für die Generation seit dem ersten Weltkrieg, schafft er es, das schier endlos scheinende Material poetisch sensibel und szenisch kraftvoll auszubreiten. Daß der Autor selbst einen italienischen Namen trägt und 1935 in Düsseldorf geboren wurde, läßt vermuten, daß Forschungen zur eigenen Familiengeschichte die Grundlage des Romans bilden. Auch wenn die Typisierung der ,,europäischen Mentalitäten" gelegentlich sehr klischeehaft wirkt, so ist das literarische Projekt, die ,,Deutschen als Europäer" darzustellen, hier erfolgreich angegangen. Nicht ohne poetischen Anspruch und - das ist selten - doch sehr lesbar, legt Forte, der auch in seinen Dramen immer wieder die historische Richtigstellung verbreiteter Irrtümer betreibt, den Beweis vor, daß Deutschland schon immer ein Einwanderungsland war. Ein historischer Roman, ein Familienroman, wie man ihn sich gelungener heute, wo von allen Seiten das Ende von Familie und Geschichte proklamiert wird, kaum gelungener vorstellen kann.

(Oliver Gassner)


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