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Dem Opernlibretto "Johannes Faustus" von Hanns Eisler sind ein wissenschaftliches Symposium und eine Ausstellung am Faust-Archiv-Knittlingen gewidmet. Eislers "Faustus" ist neben den Bearbeitungen von Busoni und Schnittke eine von drei Opernversionen des Faust im 20. Jahrhundert und nimmt eine Sonderstellung ein: Sie wurde aus politischen Gründen nie komponiert. Warum genau es zu politischen Komplikationen kam - dem kommen vielleicht in Knittlingen die versammelten Wissenschaftler auf die Spur. Hanns Eisler wurde durch seine politischen Überzeugungen zum doppelten Emigranten: 1933 musste er Deutschland verlassen. Aus der Wahlheimat USA wird er durch den McCarthy-Ausschuss vertrieben: Er steht unter Kommunismusverdacht. In der neuen Heimat DDR macht er Karriere, vertont die von Johannes R. Becher gedichtete Nationalhymne "Auferstanden aus Ruinen" und schreibt für Bertolt Brechts "Berliner Ensemble" Theatermusiken. Mit Brecht arbeitet er schon seit den 20er Jahren zusammen und komponierte für ihn auch Arbeiterlieder und Filmmusiken.
In den 50er Jahren dann kommt es zum Konflikt: Als Eisler das Textbuch zu einer geplanten Faust-Oper veröffentlicht regt sich Widerstand von Seiten der SED und der Karrierekünstler Eisler wird plötzlich von allen Seiten unter Druck gesetzt. Dabei hatte er versucht, eine Oper zu schreiben, die ganz im Sinne von Partei, Sozialismus und der nationalen Identität der DDR war: eine Nationaloper. Faust ist bei Eisler ein Zweifler an der Gesellschaft: Die Begegnung mit einem blinden Soldaten öffnet ihm die Augen für die Leiden des das unterdrückten Volkes und treibt ihn in die Arme des Teufels, der ihn nach "Atlanta" bringt. Doch auch in dem vermeintlichen demokratischen Utopia gibt es Ausbeutung. Als Faust dies kritisiert, soll er getötet werden und flieht. Zurück in der Heimat wird Faust geldgierig und stellt vom Teufel magisch gefälschtes "atlantisches Gold" aus, es zerfällt zu Staub und das Volk revoltiert. Es gibt einen Toten und Faust übernimmt die Verantwortung, bekennt seinen Verrat am Volk und wird vom Teufel geholt.
Eisler greift für sein Libretto nicht auf Goethe sondern auf das Puppenspiel zurück. Als unsozialistisch, USA-freundlich und Verhunzung der deutschen Klassik wurde das Werk von SED und Kulturfunktionären angegriffen, obwohl es genau das Gegenteil im Sinn hatte. Eine öffentliche Debatte um die kulturelle Identität der DDR entbrannte und Eisler gab es auf, das Werk zu komponieren. Er schrieb einen Canossa-Brief: Die DDR sei seine Heimat, er ordne sich unter.
Entstanden sind lediglich Kompositions-Fragmente und eine Auswahl davon gab es bei der Eröffnungsveranstaltung im Steinhaus zu hören. Die Sopranistin Sofie Taubert und Lisa Klingel am Klavier brachten sie zu Gehör. Bürgermeister Heinz-Peter Hopp betonte die Notwendigkeit, dass Verhältnis von Kultur und Politik unter den Bedingungen der Diktatur zu durchleuchten und stellte fest, dass es -auch in Zeiten knapper Finanzmittel- Rolle der Politik sei Kultur zu ermöglichen und nicht zu verhindern. Ausstellungsorganisator Tim Lörke gab der Hoffnung Ausdruck, dass das nun wieder eingerichtete Symposion die erste in einer Reihe von wissenschaftlichen Gesprächen in Knittlingen sein möge.
In der Ausstellung sind handschriftliche Skizzen zum Libretto, Notenblätter, Korrekturen der Druckfahnen, Briefe von Eisler, Brecht und Thomas Mann, eine signierte Erstausgabe des Textes, Zeitungsausschnitte und mit Puppen nachgestellte Szenen aus der Oper zu sehen. Sie zeigt auf eindrückliche Wiese wie auch staatstragende und arrivierte Künstler in der DDR "auf Linie gebracht" wurden, wenn sie versuchten abzuweichen. Nahezu alle Materialien stellte das Archiv der Berliner Akademie der Wissenschaften zur Verfügung. Die Ausstellung ist noch bis zum 21. Dezember 2003 im Archiv zu besichtigen.
Hanns Eisler: Johann Faustus. Gebunden, 166 Seiten, 14,80 EUR, ISBN: 3-928-6606-32
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