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Von Geständigen und Uneinsichtigen - Einbruch und Betrug

Szenen aus dem Vaihinger Amtsgericht unter Richter Friedrich Wilhelm Hiller

Gunther A. (Name geändert) sitzt mit gesenkten Kopf und gebeugt im Gerichtssaal. Vor ihm liegen keine Notizen, neben ihm sitzt kein Verteidiger. Und das obwohl er des schweren Diebstahls in acht Fällen angeklagt ist. Gunther V. ist geständig. Arbeitslos ist er und geschieden. Er wohnt im Obdachlosenheim in Sachsenheim. Er stammt aus Gotha, aber dorthin will er nicht zurück: "Da ist es ja noch schlechter mit der Arbeit als hier." Seine Einbruchserie dauerte einen Monat: Zwischen Oktober und November 2001 ist er in Gartenhäuser oder Wohnwagen im Umkreis von Sachsenheim eingestiegen, mal erbeutete er Zigaretten oder eine Jacke, mal einen Kasten Pils oder eine Lederhose, eine Signalpistole mit Munition oder Werkzeug.

Da er gewaltsam in geschlossene Räume eingedrungen ist, gelten die Taten als schwerer Diebstahl und die Sachbeschädigungen an Zäunen und Fenstern werden ebenfalls auf sein Schuldkonto gebucht. Es gab noch mehr Einbrüche als die acht, die zur Verhandlung stehen, bei denen hat die Staatsanwaltschaft wegen Mangels an öffentlichem Interesse keine Anklage erhoben.

"Ich wollte sagen, dass es mir leid tut, dass ich etwas beschädigt und jemand etwas weggenommen habe. Aber ich kann es nicht mehr zurückgeben." Vor Gericht will Gunther A. nicht noch einmal erzählen, was ihn zu den Tate getrieben hat, aber der Polizei hatte er früher schon seine ausweglose Lage damals geschildert. "Ich gehe davon aus", so Richter Hiller, "dass Sie die Taten begangen haben, weil sie weder Essen noch Trinken hatten."

Die Notlage und das Geständnis wertet der Richter strafmildernd, dennoch geht er über die von der Staatsanwaltschaft geforderten fünf Monate hinaus und verhängt sechs Monate Freiheitsentzug und die vom Staatsanwalt ebenfalls geforderten 80 Stunden gemeinnützige Arbeit. Weil keinerlei Vorstrafen vorliegen, wird die Strafe für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt: "Wenn Sie sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen und Ihre Arbeitsstunden pünktlich ableisten, dann müssen Sie diese Strafe auch nicht absitzen.", klärt der Richter den Verurteilten auf, der seine Strafe annimmt und auf Berufung verzichtet.

***

Nicht immer sind Angeklagte einsichtig: "Betrug, das ist für mich, wenn ich jemand etwas in der Absicht abluchse, es für mich zu behalten.", erklärt Werner B. (Name geändert) dem Richter und dem Staatsanwalt. Und des Betrugs ist er angeklagt. Als Inhaber einer Ein-Mann-Wirtschaftsberatungsfirma hatte er zwischen dem Bauhof der Stadt Ludwigsburg und einer Entsorgungsfirma in Freiberg ein Geschäft eingefädelt, das ihm geringe Provisionen, der Stadt Ludwigsburg aber Einsparungen bei einigen Müllsorten um die 50 Prozent einbrachte. "Es geht um Papiermüll, wie bei Bastelabfällen von Kindergärten und um den gemischten Papierkorbmüll aus den öffentlichen Mülleimern. Meine Idee, war, diesen Müll fachgerecht nach Wertstoffen sortieren zu lassen und so günstiger zu entsorgen. Statt 400 Mark pro Tonne kostete das bei meinem Modell nur die Hälfte." Werner B. macht Werbung für ein Geschäft, das es nicht mehr gibt: Er ist pleite, hat den Offenbarungseid geleistet und ist arbeitslos, wie zu der Zeit bevor er selbständig war.

Seit 1998 lief das Geschäft mit dem Bauhof Ludwigsburg, doch im Sommer 2001 geriet der Angeklagte mit seinem Vermieter aneinander, wurde verletzt und war arbeitsunfähig. Da fraßen die laufenden Kosten das Geld auf, das er von der Stadt Ludwigsburg bekam und eigentlich abzüglich seiner Provision an den Entsorger hätte weiter überweisen müssen. 20 000 Mark blieb er dem Verwerter schuldig.

Betrug ist das dann, wenn man vorher weiß, dass man eine Rechnung nicht bezahlen kann und jemanden trotzdem noch eine Dienstleistung ausführen lässt. Ob das der Fall war, versuchte das Gericht zu klären.

Die Vorstrafenliste von Werner B. ist lang, meist wegen unbezahlter größerer Beträge, einmal wegen Vorenthaltung von Arbeitslohn ("Ich hatte nie Angestellte!") und alle drei Jahre leistet er eine eidesstattliche Versicherung, dass er seiner Unterhaltspflicht für ein uneheliches Kind aus dem Jahre 1967 nicht nachkommen kann. Bedrohung und Fahren unter Alkohol runden die ‚Latte' ab. Der Gerichtsvollzieher ist regelmäßiger Gast bei der Familie B. mit ihren vier Kindern - zwei Kinder sind 7, zwei 9 und 11 Jahre alt. Doch da ist nichts zu pfänden. "ich lebe vom Kindergeld und vom Sozailamt.", erklärt Herr B. Selbst Schuldbeträge von 50 Mark werden nicht beglichen. "Wenn selbst solche kleinen Beträge nicht bezahlt werden, dann spricht das dafür, dass man auch nicht die Absicht hatte, die großen Schuldbeträge zu bezahlen.", erklärt Richter Hiller.

Dem Angeklagten ist seine Situation nicht klar: Dem Urteil 3200 Euro Strafe für seinen Betrug zu zahlen, hat er widersprochen. "Das ist ein Angebot.", erklärt ihm der Staatsanwalt. "Wenn Sie das nicht annehmen und das Gericht zum Schluss kommt, dass Sie schuldig sind, dann drohen Ihnen sechs Monate Haft." Richter Hiller wird deutlich: "Bei Ihren Vorstrafen kommt keine Bewährung in Frage. Dann müsste ich Ihre Familie anrufen, dass Sie das Gericht nicht als freier Mann verlassen haben."

Das sieht der Angeklagte ein: Jetzt geht es nur noch um die Höhe der Geldstrafe: Lässt sich da noch etwas machen? Das Gericht ist gnädig - ein letztes Mal? Aus 3200 Euro wird eine Strafe von 2400 Euro, die abgestottert werden kann. Ob die Staatsanwaltschaft bei der nächsten "Aktion" auch bei einer Geldstrafe bleibt?


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