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"Wenn Sie beim Anwalt die Klinke runterdrücken wird schon die erste Gebühr fällig"

Halbstündiges Telefonat mit dem Anwalt für 113 Euro - Bei Dienstleistern kostet auch die Beratung

Herr Arnold K. aus Hohenhaslach bekam eine Rechnung vom Rechtsanwalt. 113 Euro sollte er bezahlen für eine Beratung, an die er sich nicht erinnern konnte. Denn er hatte den Anwalt, so meinte er, nur angerufen, um den zu fragen ob der sich in Verkehrsstrafrecht spezialisiert habe.

Nun ist es immer etwas riskant, Rechnungen nicht zu bezahlen, und Rechtsanwaltsrechnungen sowieso: Der Anwalt klagte vor dem Amtsgericht Vaihingen auf Zahlung seiner Gebühr.

"Also nach meinem Eindruck hat das Gespräch nur zehn Minuten gedauert," erklärt Arnold K. dem vorsitzenden Richter, Amtsgerichtsdirektor Dankward Wittig. Herr K. will nicht einsehen, dass Fragen Geld kostet, obwohl er doch den Anwalt dann gar nicht beauftragen wollte. "Wenn ich in ein Geschäft gehe, mich beim Kauf eines Anzuges beraten lasse und nachher den Anzug nicht will, bezahle ich ja auch nichts. Das ist im Geschäftsleben so.", weiß er.

Was er nicht weiß ist, dass eine Rechtsanwaltsberatung kein Anzugkauf ist. Der Verkäufer in der Herrenmodeabteilung verdient sein Geld mit Kaufverträgen: Kommt kein Kauf zustande, gibt es auch kein Geld. Alle Menschen aber, die Dienste anbieten, seien es Ärzte oder eben Rechtsanwälte, schließen Dienstleistungsverträge und bekommen auch für "das darüber Reden", oder genauer: das Beraten, Geld, selbst wenn die Beratung - oder ärztliche Behandlung - nicht zum Erfolg führt. Sein Anwalt hätte das Arnold K. vielleicht schon vorher erzählt, aber er ist allein vor Gericht erschienen.

Richter Wittig bringt es auf den Punkt: "Wenn Sie eine Rechtsanwaltskanzlei aufsuchen und die Klinke runterdrücken, wird schon die erste Gebühr fällig." Es geht also in der Verhandlung darum, ob bei dem Telefonat eine Beratung stattgefunden hat oder nicht. Rechtsanwalt Martin Kähling aus Vaihingen kann genau belegen wie lange das Gespräch gedauert hat, denn er präsentiert dem Gericht einen Einzelverbindungsnachweis: Über 30 Minuten lang haben sich die beiden unterhalten. Worüber bloß? Das interessiert den Richter: "Die Frage ob jemand Verkehrsstrafrecht macht, die ist ja in einer Minute erledigt. Nicht?"

Herr K. versteht die Welt nicht mehr: "Der Anwalt wollte mir eine Vollmacht zuschicken. Aber ich sagte, ich wolle das nicht am Telefon machen. Ich kenne ja den Mann gar nicht. In die Beratung bin ich unfreiwillig hineingeschlittert, weil Herr Kähling mir immer wieder Fragen gestellt hat."

Martin Kähling hat ein Problem: Der Angeklagte hat ihn nicht von seiner Schweigepflicht entbunden, was heißt, dass er nur zu den Randumständen sprechen kann, nicht aber zu dem was Arnold K. mit ihm am Telefon besprochen hat - denn sonst könnte er ja darlegen wie er beraten hat. Immerhin kann er vorbringen, dass der Angeklagte gesagt haben soll, man käme ja wohl zusammen und er werde gerne die Vollmacht bei seinem baldigen Besuch in der Anwaltskanzlei unterschreiben. So hat er es auch auf dem Nachrichtenzettel an das Vorzimmer notiert.

Arnold K. lenkt ein: Natürlich habe man sich auch über den Fall unterhalten. Zuerst sei er gefragt worden, wer ihm den Anwalt denn empfohlen habe, dann habe Herr Kähling Fragen zum Hergang der Strafsache gestellt. Dabei habe Herr K. ja noch gar nicht gewusst, worum es eigentlich gehe, denn er sei noch nicht bei der Polizei zur Protokollaufnahme gewesen. "Es war eine Beratung. Ich habe Herrn K. zum Beispiel Hinweise gegeben, wie er sich zur Polizei verhalten soll.", versichert Martin Kähling. "Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich konnte mit dem, was da gesagt wurde, nichts anfangen.", beharrt der Hohenhaslacher. Der Richter wertete die Dauer des Gesprächs als Hinweis darauf, dass sich die beiden nicht nur über allgemeine Dinge unterhalten hatten und wies darauf hin, dass eben die Beratung und nicht nur die Prozesshilfe, das Geschäft des Anwalts sei und dass dieser schließlich auch für die Richtigkeit dieser Beratung hafte.

Arnold K. beginnt zu verstehen. Es sei wohl sein Fehler gewesen, dass er das Gespräch nicht frühzeitig abgebrochen habe. "Aber der Anwalt hat Fragen gestellt und ich bin zur Höflichkeit erzogen worden. Da gebe ich dann Antwort." Der Angeklagte ist verbittert, denn er sieht auf sich zukommen, dass die Rechung dennoch fällig wird: "Ich bin sehr enttäuscht, dafür lebe ich nicht in diesem Land."

Doch es geht glimpflich mit einem Vergleich ab, den Richter Dankward Wittig vorschlägt: Jeder trägt seine Anwaltskosten selbst, Arnold K. bezahlt 80 Euro an den Anwalt und 25 Euro Gerichtskosten. Statt 113 Euro ist er jetzt nur 105 Euro los, die er gleich in bar auf den Richtertisch blättert. Hätte er dem Vergleich nicht zugestimmt und verloren, so hätte das Ganze mit den erneuten Anwaltskosten durch den Kläger leicht doppelt so teuer werden können.


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