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Nach Alkohol-Rückfall am Steuer

Am Amtsgericht Vaihingen stand für Sabine K. Aussage gegen Aussage

"Ich habe Alkoholprobleme. 1998 hatte ich einen Rückfall, im August 2000 und eben im März 2002." Die sechsunddreißigjährige Sabine K. aus Kleinglattbach ist vor dem Amtsgericht Vaihingen angeklagt, am 5. März 2002 um halb drei Nachmittags mit über 1,7 Promille Alkohol im Blut Auto gefahren zu sein. Gegen den Strafbescheid der Staatsanwaltschaft über zehn Monate Führerscheinentzug und 45 Tagessätze Geldstrafe hat sie durch ihren Anwalt Widerspruch eingelegen lassen. "Als die Polizei mich fragte, ob ich gefahren sei, da dachte ich, die meinten das Umparken des Autos auf dem Hof am Morgen -das darf man, dachte ich. Später bin ich nicht mehr gefahren. Seit März habe ich keinen Tropfen mehr getrunken."

Am Abend vorher hatte sie die Kontrolle verloren: "Ich weiß nur noch, dass ich mit Bier angefangen habe und dann Wein getrunken habe. Was und wie viel ich dann noch getrunken habe, weiß ich nicht. Wenn ich im Nachhinein daran denke: Das war saublöd." Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr habe sie getrunken. Sie habe weder eine Entgiftung noch eine Therapie gemacht. Bisher. Jetzt nach dem Umzug in das Eigenheim denke sie aber darüber nach.

Minute für Minute vollzieht der Amtsrichter Friedrich Wilhelm Hiller nach, wie der Vormittag abgelaufen ist: wer hat die Nachbarin nach Sachsenheim gefahren? Der Mann. Wer war mit dem Auto Sprudel kaufen? Der Mann. Dann gab es Streit mit dem Ehemann und gegen Mittag leerte Sabine K. nochmals zwei Flaschen Sekt. "Was ich dann noch getrunken habe, weiß ich nicht mehr. Ich weiß überhaupt nur noch die Hälfte von dem, was da passiert ist.", erklärt sie. Aber eins weiß sie ganz genau: Gefahren sei sie am Nachmittag nicht. Sie habe lediglich das Handy ihres Mannes wollen, das dieser nach der Einkaufsfahrt im Auto vergessen hatte.

Ihre italienische Nachbarin sei ihr zunächst nachgelaufen, dann sei sie nach oben zu ihrem Mann gerannt. Sie sei dann nicht nach oben gegangen, weil sie befürchtete, dass es zu Streit käme. Und dem Streit mit Isabella L. gehe sie aus dem Weg. Sie habe beim Nachbarn geklingelt, der sei aber nicht da gewesen.

Danach sei sie wieder draußen gewesen. Als ihr der Nachbar mit dessen Lebensgefährtin begegnet sei, sei sie zu ihnen in die Wohnung gegangen. Dann sei auch schon bald die Polizei gekommen. Fast genau so schildert auch die Zeugin Isabella L., begleitet von einer Übersetzerin, den Hergang des Nachmittags. Von den Kindern von Frau K. habe sie gewusst, dass die Mama wieder trinke und deswegen habe sie sofort, als sie sie mit dem Auto wegfahren gesehen habe, den Mann alarmiert: "Die Sabine ist mit dem Auto weggefahren." "Ich weiß.", soll Frau K.s Mann geantwortet haben. "Jetzt habe ich genug." Dann habe er noch während sie im Zimmer stand die Polizei angerufen. Sabine K. habe sie auf dem Rückweg vor der Wohnung des Nachbarn stehen sehen, wo keiner aufmachte. Sabine K. sei dann zunächst zu einem andren Nachbarn gelaufen und nochmals mit dem Auto weg gefahren. Aber nur 200 Meter, denn nun kam der Nachbar mit dessen Lebensgefährtin und einem Untermieter von einem Spaziergang zurück. "Meinen sie, die haben Sabine K. gesehen?" "Wenn sie nicht blind waren oder betrunken, dann müssen sie sie im Auto gesehen haben. Denn die anderen sind auch alle Alkoholiker."

Der Richter wird deutlich: "Wenn Sie hier nicht die Wahrheit sagen, dann ist das ein schlimmeres Vergehen als das, was man Frau K. vorwirft. Lügen Sie?" "Nein, warum sollte ich? Ich habe alles mit meinen eigenen Augen gesehen." Die Stimme wird lauter, das Temperament bricht durch. "Weil Sie Streit mit Frau K. haben? Oder weil Sie mit ihrem Mann etwas anfangen wollen?", mutmaßt Friedrich Hiller. "Io? Pffft." Eine Übersetzung erübrigt sich hier. Außerdem sei es die Familie K., die seit der Aussage bei der Polizei nicht mehr mit ihr rede. Vorher habe es keinen Streit gegeben.

Nun will der Richter von der Angeklagten wissen, warum ihr Mann wohl die Polizei angerufen habe. "Aus Wut.", erklärt sie. "Wissen Sie, wenn ein Alkoholiker rückfällig wird, dann ist das für den Partner sehr enttäuschend. Und er hat wohl nicht überlegt." Herr K. hat offenbar auch gar nicht nachgesehen, ob das Auto wirklich weg ist und der Nachbarin sofort geglaubt.

Richter Hiller bliebt hartnäckig: Wie sie sich erkläre, dass die Aussage der Nachbarin so ganz genau mit der ihren übereinstimme - außer in dem einen Punkt, ob sie gefahren sei oder nicht? Jetzt greift der Anwalt von Sabine K. ins Geschehen ein: "Können wir unterbrechen?" Er will sich mit seiner Mandantin offenbar besprechen. In der Pause erklärt Richter Hiller: "Für einen Strafrichter ist das ein idealer Fall. Zwei Aussagen, die vollkommen übereinstimmen, außer bei der Tat. Wenn jemand lügt, dann lügt er normalerweise komplett." Anwalt und Angeklagte kommen wieder: "Wir ziehen den Einspruch zurück." Jetzt geht alles schnell: 450 Euro Geldstrafe kostet das Fahren unter Alkohol, den Führerschein gibt es frühestens im Januar 2003 wieder - wenn das medizinisch-psychologische Gutachten positiv ausfallen sollte. (og)


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